Heute beginne ich mit meiner Artikelserie zur Kaufberatung eines E-Scooters. In den nächsten Wochen folgen noch weitere themenbezogene Artikel.
Ursprünglich wurde der E-Scooter für die sogenannte letzte Meile entwickelt. Der Gedanke, der dahinter steckt: Man fährt mit dem öffentlichen Verkehrsmittel an den nächstgelegenen Punkt zur Arbeitsstelle oder seinem Wohnort und die letzten Meter lässt man mit einem E-Scooter hinter sich. Doch wie sich herauskristallisiert hat, werden E-Scooter eher als Fahrradersatz, Spaßobjekt oder zum Sightseeing genutzt.
Dementsprechend sollte man sich vor der Anschaffung eines E-Scooters erst einmal Gedanken machen, wie man den Scooter später nutzen möchte. Wenn man wirklich nur die letzte Meile fährt, wird das Gewicht und die Handlichkeit wichtig sein. Wer den Scooter für die gesamte Strecke zur Arbeit nutzen möchte, sollte eher auf die Fahrdynamik, die Akkuleistung und die Reifengröße achten.
Im Folgenden gehe ich die Punkte durch, die du beim Kauf eines E-Scooters beachten solltest, dabei ist es egal, ob du dir einen neuen E-Scooter oder einen gebrauchten E-Scooter kaufen möchtest.
Reichweite / Akkuleistung
Wie in der Einleitung schon kurz erwähnt, solltest du im Vorfeld wissen, wofür du den E-Scooter nutzen möchtest. Wenn du nur die letzte Meile fährst, ist der Akku und die Reichweite des E-Scooters zu vernachlässigen. Möchtest du aber längere Touren mit dem Roller machen, solltest du genau auf die Reichweite, die Akkuleistung und ggf. auf die Ladegeschwindigkeit achten. Es wäre blöd, wenn du mit deinem E-Scooter zur Arbeit fährst, der Akku bei der Ankunft komplett geleert, aber nicht bis zum Feierabend wieder aufgeladen ist.
Die Hersteller geben immer eine Reichweite an, diese erreichen die E-Scooter allerdings meistens nur unter Laborbedingungen. Du solltest von der Herstellerangabe immer 10 % bis 20 % abziehen, je nach Streckenprofil. Wenn deine Strecken eher bergisch sind, dann ziehe lieber 20 % von der Angabe der Hersteller ab und bei flachen Streckenprofilen sollten 10 % Abzug reichen.
Bei der Errechnung der Reichweite wird der Fahrer meistens mit 75 kg gerechnet, wenn du mehr wiegst, solltest du ebenfalls ein wenig mehr von der Reichweitenangabe abziehen. Bist du leichter als 75 kg kannst du davon ausgehen, dass der E-Scooter sogar ein wenig mehr schafft.
Die Akkuleistungen der aktuellen Modelle reichen für 30 bis 50 km, zurzeit kommen allerdings die ersten E-Scooter mit einer Reichweite von 80 km auf den Markt. Du solltest aber immer bedenken, je stärker der Akku ist, umso schwerer wird er auch. Gerade im Blick auf die Handlichkeit im Bus oder der Straßenbahn.
Zum Thema Akku gehört auch der Punkt Ladegeschwindigkeit. Planst du mit deinem neuen Roller längere Touren zu fahren oder zum Beispiel zur Arbeit zu fahren? Dann solltest du darauf achten, dass entweder die Akkuleistung für den Hin- und Rückfahrt reicht oder die Ladung des Akkus nicht länger als deine Arbeitszeit dauert.
Traglast
Ein ebenfalls sehr wichtiger Punkt ist die Traglast oder auch maximale Zuladung. Wenn deine Waage mehr als 90 kg anzeigt, solltest du lieber ein Modell das eine Traglast von 120 kg bis 130 kg bietet. Als Faustformel solltest du immer dein eigenes Körpergewicht + 10 kg nehmen. Da man ja auch noch Kleidung trägt, ein Smartphone und Schlüssel in der Hosentasche hat oder zum Beispiel Handtasche oder Rucksack bei sich trägt. Dies sind alles zusätzliche Gewichte die mitgerechnet werden sollten.
Du solltest auch wirklich darauf achten, dass du die maximale Zuladung nicht überschreitest. Da die Verarbeitung des E-Scooters, die Bremsen und der Motor nicht auf ein höheres Gewicht ausgelegt sind. Also erhöhst du die Unfallgefahr, falls die Bremsen dein Gewicht nicht vernünftig herunter bremsen können. Außerdem verschlechtert sich durch jedes Gewicht über der Traglast der Fahrkomfort. Die Beschleunigung wird langsamer, die Bergauffahrten werden merklich langsamer und der Akku entlädt sich schneller, durch die höhere Belastung. Und nicht zu vergessen ist die höhere Materialbelastung. Unter Umständen brechen irgendwelche Plastikteile während der Fahrt, da stärkere Kräfte auf diese Teile einwirken.
E-Scooter mit einer höheren Traglast sind stärker verarbeitet und es werden meistens andere Materialien verbaut. Außerdem sind die Abmessung, wie Abstand der Räder und die Breite des Trittbretts für größere Menschen optimiert. Dies geht allerdings auf Kosten der Fahrdynamik. Denn je kürzer und schmaler der E-Scooter, umso wendiger ist er.
Einige Hersteller geben weder die Traglast noch die maximale Zuladung an. Dort kann man sich helfen, in dem man die folgende Formel nutzt:
Maximale Zuladung = zulässige Gesamtmasse – Gewicht des E-Scooter + Fahrergewicht + 10 kg
Eine Übersicht mit E-Scootern die eine höhere Traglast als 100 kg bieten, findest Du hier.
Straßenzulassung / Versicherung
Wenn du den Roller im öffentlichen Straßenverkehr nutzen möchtest, solltest du darauf achten, dass dieser eine Straßenzulassung besitzt. Damit ein E-Scooter eine Straßenzulassung erhält, muss er neben einer allgemeinen Betriebserlaubnis auch noch folgende Kriterien erfüllen:
- Zwei unabhängig voneinander funktionierende Bremsen
- Ein weißes Vorderlicht und ein rotes Rücklicht
- Ein Versicherungskennzeichen
- Höchstgeschwindigkeit 20 km/h
- eine hell klingende Glocke
Fehlt einer dieser Punkte, darfst du den E-Scooter nicht im öffentlichen Straßenverkehr nutzen.
Einige Hersteller bieten auch an, den E-Scooter schon fertig versichert zu verkaufen. Dann hast du für die ersten Monate bis zum Ende des Versicherungszyklus ein Versicherungskennzeichen und kannst direkt losfahren. Das Versicherungskennzeichen ist in diesem Fall schon am Roller angebracht. Für das nächste Versicherungsjahr musst du dich wieder selber um deinen Versicherungsschutz kümmern.
Bremsen
Der Bereich Bremsen zählt zum einen in den Punkt Sicherheit und Fahrkomfort. Wie oben beschrieben müssen an einem E-Scooter mindestens zwei Bremsen verbaut sein. Viele Hersteller verbauen allerdings drei Bremsen.
Die gängigsten Bremsen sind
- Rekuperationsbremse
- Scheibenbremse
- Elektrische Bremse
- Trommelbremse
- Hinterradbremse
Bei vielen E-Scootern findet man die Kombination aus einer Rekuperationsbremse, einer Scheibenbremse und der Hinterradbremse.
Aber welches Bremsverhalten hat welche Bremse?
Rekuperationsbremse
Bei der Rekuperationsbremse wird der Motor in einen Generatormodus geschaltet. Der funktioniert wie ein Dynamo am Fahrrad. Solange die Bremse gedrückt wird, gelangt die Bewegungsenergie zum Elektromotor und wird wieder in Energie umgewandelt. Durch diesen höheren Widerstand an den Rädern wird der Roller gebremst.
Die Rekurperationsbremse lädt also während der Fahrt beim Bremsen den Akku wieder auf. Die Technik wird in Elektrofahrzeugen seit Jahren genutzt und soll bis 20 % der Reichweite erhöhen. Meistens wird diese Bremse in Kombination mit der elektrischen Bremse verbaut.
Die Rekuperationsbremse wird in den meisten Fällen nur in hochpreisigen E-Scootern verbaut. Nicht immer wird die Rekurperationsbremse auch so bezeichnet. Als Synonym wird manchmal auch der Begriff KERS (Kinetic Energy Recovery System) benutzt.
Die Scheibenbremse
Bei der Scheibenbremse handelt es sich um eine sogenannte Reibungsbremse. Ein oder zwei Bremsbeläge werden gegen eine Bremsscheibe gedrückt. Durch den entstehenden Reibungswiderstand wird der Roller gebremst. Durch die Reibung entstehen Bremsabrieb und Wärme. Im Gegensatz zur Rekurperationsbremse wird die Wärme nicht in Energie umgewandelt.
Die Scheibenbremse gibt es als hydraulische Variante und als mechanische Variante. Wie bei den Fahrrädern auch setzen immer mehr Hersteller auf die Scheibenbremse.
Sie gehört bei den E-Scootern zu den Bremsen mit der höchsten Bremswirkung.
Elektrische Bremse
Die elektrische Bremse ist eine Software Variante einer Motorbremse. Wenn der Bremshebel der elektrischen Bremse gezogen wird, gibt der Motor weniger oder keine Leistung mehr ab und bremst somit den Roller.
Die elektrische Bremse wird meist in Verbindung mit der Rekurperationsbremse genutzt.
Trommelbremse
Die Trommelbremse kennt man noch von früher aus dem Kfz-Bereich. Im Rad findet man feste Bremsbacken, die gegen die Bremstrommel innerhalb des Rads gedrückt werden. Durch den Widerstand wird das Rad gebremst.
In Autos werden diese Art der Bremsen aus Sicherheitsgründen nicht mehr eingebaut. Die Trommelbremsen verlieren ihre Bremskraft bei Feuchtigkeit und Nässe. Einige E-Scooter Hersteller warnen sogar davor, diese Bremsen auf regennasser Fahrbahn einzusetzen.
Auf diese Bremsvariante kannst du beim Rollerkauf getrost verzichten.
Hinterradbremse / Fußbremse
Die Hinterradbremse wird in sehr viele E-Scooter verbaut. Entweder in Form eines Schutzbleches über dem Hinterrad, auf das man zum Bremsen tritt. Oder in Form eines extra Tritthebels der das Hinterrad bremst.
Diese Bremsart ist sehr von deinem Gewicht und deiner Trittkraft abhängig und somit nur bedingt für eine Gefahrenbremsung geeignet. Außerdem dauert es einfach länger bis du deinen Fuß auf das Schutzblech gestellt hast, als wenn du einfach einen Bremshebel ziehst.
Neben der ggf. schwachen Bremsleistung ist die Fußbremse auch noch ein Sicherheitsproblem. Man kann ziemlich einfach neben das Schutzblech treten und kommt dann mit dem Fuß zwischen Schutzblech und Rad oder berührt den Boden während der Fahrt.
Da sie aber die günstigste Variante einer Bremse ist, ist Hinterradbremse sehr weit verbreitet in bei den E-Scootern.
Handlichkeit
Solltest du den E-Scooter wirklich für die letzte Meile nutzen wollen. Dann sollten dein Focus auf die folgenden Punkte liegen:
- Gewicht des E-Scooters
- Klappbar
- möglichst klein im zusammengeklappten Zustand
Die kleineren E-Scooter wiegen in der Regel zwischen 8 kg und 13 kg. Das ist ein gerade noch vertretbares Gewicht, wenn man morgens mit dem Arbeitsrucksack und dem E-Scooter in der Bahn unterwegs ist. Je größer der Roller wird, umso schwerer wird er auch.
Es gibt einige wenige Roller, die nicht klappbar sind oder so groß, dass man sie nicht mehr mit einer Hand tragen kann. Diese solltest du für die letzte Meile nicht nehmen.
Der Metz Moover ist im zusammengeklappten Zustand noch ganze 100 x 47 cm groß. Der Moovi Mini dagegen nur noch 96 x 30 cm. Die Abmessung sollst du vor dem Kauf ebenfalls in deine Kaufentscheidung einfließen lassen.
Fahrkomfort
Der Fahrkomfort ergibt sich durch die Federung, die verbauten Materialien, die Verschraubung, die Räder und das Fußbrett. Die Federung eines E-Scooters wird überwiegend durch die verbauten Reifen erzeugt. Ein mit Luft befüllter Reifen absorbiert Stöße besser als ein Vollgummireifen. Einige Hersteller verbauen auch kleine Federn oder Stoßdämpfer.
Die Reifen sind aber nicht nur für die Federung wichtig, sondern auch für das Fahrverhalten auf unwegsamen Untergrund. Dafür ist die Reifengröße ausschlaggebend. Wie kleiner die Reifen sind, umso anfällig ist der Roller für Schlaglöcher, Bordsteinkanten und Pflaster fugen.
Die verbauten Materialien und wie diese verarbeitet worden sind ebenfalls ein wichtiges Kriterium für den Fahrtkomfort. Wenn zum Beispiel die Lenksäule beim Fahren wackelt, fühlt sich der E-Scooter recht unsicher an.
Das Fußbrett spielt beim Fahrkomfort auch eine kleine Rolle. Ich bin mit 1,90 m und einer Schuhgröße von 47, recht groß. Bei manchen E-Scootern passen meine Füße aber nicht mal beide auf das Fußbrett. Wenn du also nur einen Fuß auf das Fußbrett bekommst, kann so eine E-Scooter-Fahrt schon echt unangenehm werden.
Abschließend ist zum Fahrkomfort zu sagen, diesen kann sehr schlecht Online angegeben. Um den Fahrkomfort zu testen, solltest du diesen bei einer Probefahrt selber testen. Einige Hersteller bieten eine Geld-zurück-Garantie an. Du kannst dir also den E-Scooter bestellen, Probefahren und bei nicht gefallen wieder zurücksenden.
Fahrdynamik
Die Fahrdynamik ergibt sich durch die Abmessungen des E-Scooters.
Wie länger der Radstand des Rollers ist, umso größer wird die Kurve des E-Scooters. Allerdings zeitgleich erhöht sich auch die Stabilität des Rollers. Die Höhe der Lenkstange, die Breite des Lenkers und das Gewicht des E-Scooters erhöhen allesamt die Stabilität, allerdings auf kosten der Agilität und Fahrdynamik. Der E-Scooter wird träger im Kurvenverhalten. In diesem Punkt solltest du ein zu dir passendes Mittelmaß finden.
Diebstahlschutz / Anbaumöglichkeiten
Du solltest dir keinen E-Scooter kaufen, der nicht mindestens eine der nächsten Diebstahlsicherungen bietet. Du solltest den E-Scooter nicht ungesichert irgendwo abstellen und aus den Augen verlieren. Dafür erregen die Roller einfach zu viel Aufmerksamkeit.
Öse
Einige Hersteller verbauen an einem E-Scooter eine Stahlöse, damit man den Roller mit einem handelsüblichen Schloss sichern kann. Das ist die günstigste Art der Sicherung und sollte als Grundschutz angesehen werden.
App
Einige E-Scooter kann man nur über eine App starten oder aktivieren. Ein Beispiel ist der myTier. Den myTier kann man nur mit einem digitalen Schlüssel über die Tier-App starten und nutzen. Solange das System nicht gehackt wird, ist ein anschließen durch ein Schloss überflüssig. Der digitale Schlüssel kann bei myTier auch mit Freunden geteilt werden.
Vermutlich wird das, das Sicherheitssystem der Zukunft werden. Man muss kein zusätzliches Schloss mit nehmen und den Schlüssel kann man auch nicht aus der Hosentasche verlieren.
Sonstiger Diebstahlschutz
Es gibt noch ein paar andere Varianten des Diebstahlschutzes. Es gibt E-Scooter, bei denen man das Bedienteil abnehmen kann, wie es schon von den E-Bikes bekannt ist. Eine weitere Variante ist, eine PIN Eingabe im Board-Computer.
Lastensystem
Einige E-Scooter bieten ein zusätzliches Lastensystem an. Dieses wird entweder an einem verbauten Rahmen oder der Stahlöse angebaut. Es gibt mittlerweile einige unterschiedliche Varianten, die man anbauen kann. Dazu zählen Gepäckträger, Fahrradkörbe, Taschenhalter und Lastenplattformen.
Bei der Benutzung dieser Lastensysteme solltest du allerdings drei Sachen beachten. Das Gewicht der Last sollte in der angegebenen Traglast des E-Scooters noch „über“ sein.
Wenn du ein Lastensystem nimmst, dass die Stahlöse nutzt, entfällt der Diebstahlschutz über diese Öse. Ein Beispiel ist das Lastensystem vom Moovi.
Und nicht zu vernachlässigen ist die Veränderung des Schwerpunktes vom Roller. Wenn das Lastensystem an der Lenkstange platziert wird, kann es passieren, dass der E-Scooter kopflastig wird und sich nicht mehr so gut lenken und fahren lässt.
Wenn die Punkte bei dir passen, sind die Lastensysteme eine gute Alternative zum Rucksack auf dem Rücken.
Fazit
Wie eingangs schon beschrieben, solltest du dir vor dem Kauf eines E-Scooters Gedanken machen, wofür du den Roller später nutzen möchtest und wie die Rahmenbedingungen sind. Dein Körpergewicht und deine Körpergröße spielen dabei genauso eine Rolle, wie die ständige Streckenbeschaffenheit und ob du in den Bergen wohnst oder im Flachland.
Einen E-Scooter kannst du auf der letzten Meile oder für die gesamte Arbeitsstrecke nutzen. Die Technik wird jedes Jahr besser und ausgereifter.
Wenn du auf die oben genannten Punkte achtest, wirst du genau den richtigen E-Scooter für dich finden.